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Sonntag, 21. August 2016

STADTENTWICKLUNGSPROJEKT TÖNNING MARITIM

6. August 2016

Stadt Tönning
Am Markt 1
25832 Tönning
 stadtverwaltung@toenning.de



Stadtentwicklungsprojekt Tönning Maritim
architektonische und maritime Agenda
für eine maritim-historische Stadt am Meer






„In Städten am Meer treffen Natur und Zivilisation wie nirgendwo sonst unmittelbar aufeinander. Die Stadt am Meer ist Ausdruck des Willens, das Meer als Naturgewalt zu beherrschen, die Ressourcen des Meeres zu nutzen und das Element den Zielen der Menschen dienstbar zu machen. Hafenstädte aus aller Welt präsentieren eine Vielfalt von unterschiedlichen historischen Entwicklungen, natürlichen Lagen und stadtplanerischen Lösungen. In jeder von ihnen entstand eine Lebenshaltung der Bewohner, die sich der ständigen Auseinandersetzung mit dem Fremden und Unbekannten gegenübersehen und denen die Offenheit für alles Neue zur Selbstverständlichkeit wird. Städte am Meer können sich deshalb voller Stolz in ihrer Sonderstellung als Verbindung zwischen Meer und Land präsentieren.“



In jedem Konzept der nachhaltigen Entwicklung einer Stadt spielen drei Faktoren die Schlüsselrolle: Wertschöpfung, Bevölkerung und Lebens-qualität. Idealerweise sollten sie sich auf den von ihnen abgeleiteten Handlungsfeldern komplementär in ausgewogener Art und Weise untereinander ergänzen. In diesem Sinne sollten alle nachfolgenden Vorschläge verstanden werden.

Tönning, die historisch erhaltene und gepflegte Stadt am Meer, kann sich glücklich schätzen, dass dieser Stadt in der Nachkriegszeit die architektonische Fehlentwicklung samt Verschandelung des öffentlichen Raums erspart geblieben ist. Damit liegt Tönning im Wettbewerb historischer Hafenstädte klar im Vorteil. Das schöne Tönning mit seinen Baudenkmälern und dem historischen Hafen als optische Achse der Stadt muss sein gewachsenes, unverkennbares Stadtbild erhalten, um weiterhin für Einheimische und Besucher attraktiv zu bleiben.

In Tönning Historisches und Maritimes erhalten,
liebevoll und sorgfältig weiterentwickeln

Wie könnte man das traditionelle Stadtbild weiter aufwerten, noch vielfältiger gestalten und noch interessanter machen? Welche kulturellen und sozialen Aspekte wären dabei zu berücksichtigen? Wie ließen sich mehr Besucher in die Stadt locken und die Angebote des Fremdenverkehrs noch attraktiver gestalten?  Wie könnte man die lebenswerte Urbanität der Stadt im historischen Kontext weiter entwickeln, wie den Wirtschaftsstandort stärken, wie die Wertschöpfung der Stadt ökologisch nachhaltig erweitern?

Dieses Konzept (ein 10-Punkte-Plan) ist ein Versuch, einige Wege aufzuzeigen, die aus meiner Sicht für die Stadt Tönning vorteilhafte Entwicklungsperspektiven eröffnen würden,  beispielsweise durch folgende Maßnahmen:

1. Die Stadt Tönning sollte ihr historisches Stadtbild bewahren und die Bautätigkeit im historischen Stadtkern durch strenge Auflagen des historischen Bauens in Form einer Baueinschränkungsverordnung  reglementieren. Die bisherige Bilanz fällt in dieser Hinsicht positiv aus und dabei soll es in jedem Fall bleiben. Der historische Kern und geschichtsträchtiges Ambiente solcher Städte und Orte wie Leer, Friedrichstadt und Greetsiel sollten hierzu als Leitbilder dienen. 

Im Bild: Stadtkern von Leer
  Im Bild: Stadtkern von Friedrichstadt
Im Bild: Hafenpanorama von Greetsiel
2. Tönninger Hafen wird im Positionspapier der Stadtverwaltung Leitbild Tönning 2030 (das bei mir insgesamt den Eindruck einer deklarativen Unverbindlichkeit und Substanzlosigkeit hinterlassen hatte) zwar als „prädestinierter Standort“ genannt. Zu Recht. Dennoch findet man in der „Agenda Tönning 2030“ kein einziges Wort über die Gegenwart und Zukunft dessen, was für Tönning am wertvollsten ist: des Hafens. Das ist ein Widerspruch in sich der schwerwiegende ja verhängnisvolle Folgen für die Stadt haben könnte. Den Autoren der Tönninger Zukunftsvision fiel dazu überraschenderweise nichts ein. Ein unentschuldbarer Mangel, der gerade das unberücksichtigt ließ, was für die Aufrechterhaltung einer lebendigen Stadt am Meer am Wichtigsten ist, nämlich ihre wasserseitige Anbindung an den Rest der Welt. Also wie sieht die jetzige Situation aus? Der Tönninger Hafen ist wegen fehlender Pflege ein seichter Teich geworden und muss dringend ausgebaggert werden, um bei NW noch 5 m unterm Kiel zu gewährleisten. Die in S-H sich breit gemachte und derzeit herrschende Unsitte an den Schaltstellen der Politik und bei den Behörden, die zwar immer bereit sind, sich für die Pflege der Landstraßen stark zu machen, aber die Wasserstraßen dabei völlig vernachlässigen, bedeutet für die davon betroffenen Orte den wirtschaftlichen Kollaps und touristischen Exitus. Das hierzu durch die Verwaltung oft ins Spiel gebrachte Kriterium der fehlenden wirtschaftlichen Nutzung ist nicht nur rein emotional empörend sondern auch irrational, absurd, kurzsichtig, widersinnig und somit unhaltbar. Friedrichskoog ist ein Beispiel dafür, wie die Behörden gegen ihre Pflichten hinsichtlich der Pflege von Wasserstraßen krass verstoßen. Tönning darf nicht zum weiteren Opfer dieses bürokratischen Unsinns werden. Das beigefügte Bild ist ein Beweis dafür, welch großer Schaden der Stadt durch Vernachlässigung der Amtspflichten angerichtet wurde. Der Hafen war und ist die Lebensader der Stadt. Ohne ihn verliert die Stadt an Anziehungskraft, wird veröden, sich nach und nach entvölkern und ist schließlich tot. Schließungen und Leerstand in der Innenstadt, die im Leitbild Tönning 2030 thematisiert werden, sind die Indikatoren des wirtschaftlichen Niedergangs, dessen Ursachen dort aber unverständlicherweise unbenannt blieben. Ich versuche also eine Antwort darauf zu geben. Das Problem scheint systemischer Natur zu sein. So wie es aussieht, gehören der Tönninger Hafen und die Wesermündung vermutlich nicht zu den Bundeswasserstraßen. Desinteressierte, inkompetente und kurzsichtige Gemeindevertreter haben es offenbar unterlassen, den Verkehrsträger klar zu identifizieren, Druck auf die Landes- und Bundesministerien auszuüben, von ihnen entsprechende Leistungen einzufordern und ständig ein Auge darauf zu haben. Infolgedessen sieht sich weder Kiel noch Berlin angesprochen, diese Gewässer in den Verkehrswegeplan des Bundes aufzunehmen und Geld für die Pflege jener Wasserstraßen auszugeben. Der gegenwärtige Bundesverkehrswegeplan beinhaltet Tausende von Projekten für Straße, Schiene und Wasser. Von dem Finanzierungsvolumen von 270 Mrd. Euro sollten 133 Mrd. Euro für Straße, 112 Mrd. Euro für die Schiene und 24 Mrd. Euro für die Wasserstraßen ausgegeben werden. Stadt- und Landesverwaltung müssen dafür sorgen, dass Tönning dabei nicht leer ausgeht und nicht unberücksichtigt bleibt, was die finanzielle Zuwendung zur Sanierung und Pflege seiner Wasserverkehrswege angeht. Solche Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur fallen regelmäßig bei allen Hafenstädten an und besonders nötig sind sie überall dort, wo sie aufgrund von Gezeiten, Landentwässerung und Versandung oder Verschlickung an Flussmündungen besonders stark auf regelmäßige Pflege und Sanierung der Hafenbecken und Fahrwässer angewiesen sind. Die Stadtverwaltung darf und soll von den Bürgern Engagement für das Gemeinwohl einfordern. Andererseits müssen aber auch die Behörden ihre Hausaufgaben im Sinne jenes Gemeinwohls machen. Geschieht das nicht, dann kommt es zu einem Vertrauensbruch, der nur schwer reparabel ist. Es ist nicht mehr viel Zeit zum Nachdenken geblieben und hoffentlich zieht die Stadt die richtigen Konsequenzen aus den warnenden Worten eines besorgten Bürgers, der als Skipper in seinem Leben bereits viele kleine und große Häfen auf der Welt besuchte. 

Im Bild: Trockengefallene Flächen im Tönninger Hafen
3. Die Stadt Tönning sollte Heimathafen historischer Segel- und Motorschiffe werden. Hierzu könnte an Stelle des verschlickten Torfhafens auch ein Museumshafen entstehen, um solche Schiffe dort aufzunehmen. Um aus dem jetzigen Schlammteich einen schiffbaren Hafen zu machen muss dieser mit Spundwand, Kaimauer und Steg versehen und auf 5 m Tiefe unter NW ausgebaggert werden. An der Kaimauer müssen massive Poller und Ringe zum Festmachen von Schiffen angebracht werden, darüber hinaus Strom- und Wasseranschlüsse am Steg. Nötig wäre ein Seglerheim mit sanitären Einrichtungen (Duschen, WC), Waschmaschine/Trockner und Küchenblock zum Geschirrspülen mit Warmwasser. Sinnvoll wären auch ein überdachter Grillplatz für Yachties mit Sitzmöglichkeit und außerhalb des Hafens eine Anlege- und Tankstelle zum Betanken der Schiffe mit Diesel.


 Im Bild: Torfhafen bei Hoch- und Niedrigwasser

Zum Vergleich:

 Im Bild: Historischer Hafen in Leer
 Im Bild: Museumshafen Oevelgönne in Hamburg
 Im Bild: Fischereihafen von Greetsiel
4. Die Weiße Brücke, die die Zufahrt zum historischen Torfhafen ermöglichen sollte, muss instandgesetzt werden, ihre Gründung muss eventuell ganz oder teilweise neu erfolgen und ihr Betrieb als Klappbrücke soll hydraulisch und ferngesteuert (Hafenmeister) mechanisiert werden. Die Durchfahrt von lichter Breite min. 6 m muss durch Dalben derart verstärkt und gesichert werden, dass die Brücke selbst durch ein-/auslaufende Schiffe bei fehlgeschlagenen Hafenmanövern, starkem Seitenwind usw. nicht beschädigt wird.

 Im Bild: Die Weiße Brücke, ein Tor zum Torfhafen
5.  In der Stadt Tönning könnte bei der Dawartz-Werft eine maritime Jugendwerkstatt entstehen mit dem vordergründigen Ziel des Umbaus, der Instandsetzung und Instandhaltung historischer Schiffe. Auf diese Art und Weise sollte unter Mitwirkung von Jugendlichen unser maritimes Erbe erhalten und gepflegt werden. Geeignete, außer Dienst gestellte Fischkutter von historischem Wert sollten in Zusammenarbeit mit interessierten Jugendlichen im Sinne maritimer Denkmalpflege instandgesetzt, zu Segelkuttern umgebaut, in Fahrt gehalten und bei Segelausbildung und allgemeiner maritimer Erziehung eingesetzt werden. 

 Im Bild: Zum Umbau geeigneter Kutter HELENA im Besitz des Autors
 Zum Vergleich:

Im Bild: Die in Hamburg bei Jugend in Arbeit e.V. instandgesetzte klassische Yacht ARTEMIS
Ein paar interessante Details zu der 13 Jahre dauernder Restaurierung:
• Beginn des Projektes 1995
• Es arbeiteten 173 Personen an der ARTEMIS, zunächst als ABM – Mitarbeiter, später in Arbeitsgelegenheiten nach § 16 SGB II. Davon konnten 37 Personen in den ersten Arbeitsmarkt vermittelt werden.
• 62 Bootsbauer wurden an der ARTEMIS ausgebildet. Alle haben die Gesellenprüfung bestanden. 3 wurden als Landessieger, 1 als Bundessieger beim Leistungswettbewerb der Handwerksjugend ausgezeichnet.

Der Einsatz dieser historischen Schiffe sollte praxisbezogen seefahrerische und technische Kenntnisse, Seemannschaft und Umgang mit funktionstüchtiger Schiffstechnik vermitteln. Jugendliche würden so nicht nur im Segeln ausgebildet, sondern somit auch im Umgang mit Stoffen, Werkzeugen, Maschinen und Arbeitstechniken eingewiesen, sodass es beruflich von Nutzen sein würde (Stichwort: Brücke ins Arbeitsleben). Für Kinder sollten die Schiffe zum Zwecke der maritimen Kindererlebnis- und Abenteuerpädagogik eingesetzt werden. Die als Denkmäler maritimer Geschichte restaurierten Schiffe würden das Stadtpanorama Tönnings bereichern (Verschönerung des Stadtbildes) und dem Zweck der maritimen Kulturpflege dienen. Der soziale Aspekt dieses Projekts steht gleichberechtigt neben seiner stadtgestalterischen Dimension.

Dem Nutzungskonzept der Dawartz-Werft von Transformare e.V. (http://www.transformare-toenning.de/) und dem allseits förderungswürdigen Engagement des Vereins um den Erhalt der traditionsreichen Werft sollte man dabei größte Aufmerksamkeit widmen und wohlwollende Unterstützung an allen Fronten gewähren.

- Eigentumserwerb: Die größte Hürde scheint derzeit der Eigentumserwerb durch den Verein zu sein. Die Erben haben diesem bis Ende 2016 das Vorkaufsrecht eingeräumt. Hier sollte die Stadt in Aktion treten und das Eigentum bis zur Bewilligung beantragter Mittel treuhänderisch erwerben, das Nutzungsrecht auf den Verein übertragen und ihm ein Überbrückungsdarlehen gewähren, dass es ermöglichen würde, das Gelände provisorisch zu sichern, zu beaufsichtigen und einen auf Restaurierung historischer Industriebauten und Wohnhäuser spezialisierten Architekten mit dem Bau- und Sanierungsentwurf zu beauftragen.

- Instandsetzung: Das Werftgebäude muss rundum erneuert und um eine Holz- und Schlosserwerkstatt erweitert werden. Die besondere Herausforderung liegt bei der historischen Sanierung der Bausubstanz. Auch die Slipanlage und insbesondere der Slipwagen bedürfen einer Instandsetzung. Das Werftgelände muss größtenteils einen festen Boden erhalten. Das daneben leer stehende dreistöckige Wohnhaus, das als Vereinssitz dienen könnte und sollte, muss innen wie außen gründlich saniert werden und eine historisch wirkende Fassade bekommen.

- Ausstattung: Nicht nur die Werft sondern auch der örtliche Tönninger Yachtclub benötigten eine Kranpier, daran einen historischen Kran zum Auskranen kleiner Boote und einen Mastenkran an der Hafenpier zur Aufstellung von Masten. Nach erfolgter Inventur muss eine Beschaffungsliste erstellt werden. Auf den ersten Blick fehlen folgende Gegenstände (Maschinen und Werkzeuge) zur Holz- und Metallverarbeitung, zum Transport u.a. und müssten (meist gebraucht) beschafft oder nach Maß angefertigt werden. Die wichtigsten von ihnen wären: Kreissäge, Kettensäge, Dampfkessel und Dampfkasten, 2  Hobel-Werkbänke, Gabelstapler, Hubwagen, Standbohrmaschine, Trocken-/Nassschleifer, Geräte zum Elektro- und Schutzgas-Schweißen, zum Löten und Blechbiegen (Handrollbiegemaschine), 2 Schraubstöcke, Metallwerkbank; auch Gegenstände zur Lagerung von Werkzeug (Regale, Metallschränke) und Unterbringung von Material und Abfall.

- Vorbilder, Referenzen, Expertise: Museumswerft Flensburg, Modersitzki-Werft Maasholm, Peter und Heiko Bieritz (vormals Bieritz-Werft, Friedrichskoog)/Yachtwerft Glückstadt, Bootswerft Reimer Landberg Büsum, Museumshafen Büsum, Jugend in Arbeit Hamburg

 Im Bild: Dawartz-Werft, Slipanlage und Werftgelände
6. Events: „Tönning Sail Classics“ – ein Treffen historischer Segler jährlich veranstalten. Die Rumregatta Flensburg (Internationales Treffen historischer segelnder Berufsfahrzeuge · Museums-hafen Flensburg e.V.) sollte hierzu als Vorbild dienen. Näheres unter: http://www.rumregatta.de/




 Im Bild: Flensburger Rumregatta
Tönning Open Air Shanty Festival“ wäre eine andere passende Veranstaltung zum maritimen Ambiente der Stadt, wie das Beispiel Büsum zeigt. 

7. Ursprünglich war es im ersten Projektentwurf vorgesehen, den von Herrn und Frau Dawartz gebauten Schooner „La Paloma“ zu erwerben, um damit sofort mit der Jugendarbeit auf dem Werftgelände zu beginnen. Da die Yacht mittlerweile verkauft wurde, hat sich diese Idee bereits erledigt.

Im Bild: La Paloma

8. Einen außer Dienst gestellten, größen- und stilmäßig passenden abgetakelten Segel- oder Motorschiff beschaffen, nach Instandsetzung zum Restaurant-Museumsschiff umwandeln, an Betreiber verpachten und so zum festen Element des Hafenpanoramas machen.

9. Die Idee der Stadtmöblierung mit nautischen Accessoires, Schiffszubehör, maritimen Antiquitäten, ausgemusterten Wasserverkehrszeichen (schwimmende und feste Seezeichen, Schiffsausrüstungsteile wie Anker, Ankerspills, Ankerketten, Schiffsmasten, Schrauben, Poller usw.) weiterhin konsequent verfolgen: nicht nur im Hafenbereich und im Stadtkern sondern auch beispielsweise an den Kreuzungen (Kreisverkehr), wie ein Beispiel aus Brunsbüttel zeigt. Immer mehr Kommunen nutzen die Innenfläche von Verkehrsinseln als Raum für Landschaftskunst. Tönninger Kreisel am Ortsausgang sollen schöner werden.

 Im Bild: Kreisel in Brunsbüttel

Zum Vergleich: 


Stadtmöblierung durch Schiffszubehör und maritime Antiquitäten in Hamburg

Im Bild: Ankerspill


Im Bild: Doppelpoller mit Klüse


Im Bild: Doppelpoller

Im Bild: Stockanker

Im Bild: Leuchtfeuer-Feuerschiff
10. Mit größter Liebe zum Detail maritime Kunst im öffentlichen Raum pflegen. Kunst und Kunsthandwerk sind wichtige kulturelle Ressourcen, um die Tönning werben sollte. Deshalb sollte man in enger Zusammenarbeit mit fähigen und kompetenten Künstlern und Kunsthandwerkern an der maritimen Verschönerung der Stadt arbeiten.


Im Bild: Maritime Steinmetzkunst an der Uni Hamburg
Projektbeginn: 2016
Geschätztes Investitionsvolumen für Planung, Bau und Beschaffung: 5 Mio. Euro
Finanzquellen: EU-Fond für strukturschwache Regionen/EU-Sozialfond zur Jugendförderung
Antragsberechtigter Projektträger: Stadt/Gemeinde Tönning

Wenn Sie beabsichtigen, die von mir genannten Vorschläge aufzugreifen und sich vorstellen könnten, das Projekt wie auch immer zu unterstützen, stehe ich für jedwede Rückfragen gern auch im persönlichen Gespräch zur Verfügung.


Mit freundlichen Grüßen


mgr Jerzy Chojnowski

HAMBURGER STADTENTWICKLUNG: WARNENDE STIMMEN




„Wir sind reich an Wissen, aber arm an Weisheit und das Gedächtnis der Menschen
ist erstaunlich kurz. Deshalb lasst uns das tausendmal Gesagte immer wieder sagen,
damit es nicht einmal zu wenig gesagt wurde.“


1. Warnende Stimmen
Hamburger Architekturdebatte

Die im April 2004 von den mit Sorgenfalten an der Diskussion durch Leserbriefe beteiligten Lesern der Hamburger Presse öffentlich und engagiert geführte „Architekturdebatte“ zeigte unmissverständlich, dass der architektonische Irrweg, der das historische Stadtbild sowie seine maritime Identität bedenken- und einfallslos zerstört, vielen Bürgern Hamburgs sowie einigen Architekten die Augen für diese Zustände geöffnet hat. Diese Kritikstimmen aus der Presse von Jung und Alt (ein Querschnitt aus aller Bevölkerungsschichten) riefen einstimmig danach: „Das traditionelle Stadtbild erhalten!“ Besorgt um den Umgang mit Geschichte in der heutigen Zeit fragte ich mich vor zwei Jahren, nachdem ich die Stadt Tönning besucht hatte: Wie kann man diese historische Stadt vom Schicksal beispielsweise Travemündes schützen, wo mitten in einem ehemaligen Fischerdorf ein Wolkenkratzer gebaut wurde und dadurch das Stadtbild, die Küste und den öffentlichen Raum schonungslos verschandelte. Ausgewählte Lesermeinungen und Pressestimmen der damaligen Diskussion füge ich hier bei. Mögen sie als Warnung dienen und vor falschen Lösungen bewahren.

 „An jeder Ecke unserer Heimatstadt wachsen Glaspaläste – von anderen Architekten, sog. Stararchitekten (inflationäre Bezeichnung) und Stadtplanern mit Preisen überhäufte Baukünstler toben sich hemmungslos aus.“ „Einheitsbauten Langweilig, ohne Pfiff, austauschbar – vom Wasser aus wirken diese Klötze wie Schuhkartons“. „Unglaublich, wie Hamburg nach und nach mit seelenlosen Glas- und Stahlkästen verschandelt wird. Die Ost-West-Straße ist der Gipfel der Hässlichkeit, der arme Michel wirkt schon fast wie ein Stilbruch inmitten der geschmacklosen Architektur, die Hamburg immer mehr prägt.“ „Was da in Hamburg in den vergangenen Jahren beschlossen und aufgebaut wurde, ist wahrlich grausam.“  „Die in den vergangenen Jahren fertig gestellten Bauwerke empfinde ich als höchst unästhetisch, kalt und hässlich. Leider besteht der offensichtliche Trend, Hamburg baulich mit anderen Großstädten zu uniformieren. Immer gleicher, immer höher bauen – Schrottarchitektur. Welcher Hamburger will eigentlich die Verschandelung des Stadtbildes? Was macht Hamburg so lebenswert? Sicher nicht reflektierende Glasbauten mit 20 Stockwerken. Die Touristen in unserer Stadt bewundern bestimmt nicht die Achtlosigkeit gegenüber unserer historischen Hansestadt sondern unsere alten schönen Häuser, das viele Grün und das viele Wasser.“ „Es sind wesensfremde Bauten, die eher Unbehagen auslösen und nicht zum Verweilen einladen. Speziell in Hamburg wird das über Jahrzehnte gewachsene Lokalkolorit häufig von Gebäuden zerstört, die zwar die Handschrift eines Architekten tragen, aber letztendlich austauschbar sind und den Charakter der Stadt aufweichen.“ „Da bleibt oft die Tugend der harmonischen Einfügung neuer Bauten in vorhandene Ensembles auf der Strecke. Immer mehr Hamburger stört Bauklotz-Architektur, sie wollen ihre Stadt schöner. Doch Architekten, die nach historischem Vorbild bauen, werden von der Branche mit Häme überschüttet. Hier ist Umdenken gefragt, und die Behörden sind gefragt, regulierend einzugreifen“. „Maritim, weltoffen und gemütlich – so wünschen sich die Hamburger den neuen Stil.“ „Man darf Hamburg den Architekten und Investoren nicht als Spielwiese überlassen, sondern sollte ihnen auf die Finger schauen. Das Problem liegt in der Kommerzialisierung und Computerisierung aller Bauentwürfe. Die Architekten haben lange den Weg einer ersten Idee aus dem Kopf und einer zeichnenden Hand verlassen, weil das Herumspielen an Computerentwürfen leichter und moderner ist. Das Gefühl für Formen und deren Wirkungen im Umfeld ist ihnen dabei verloren gegangen.“  „Leider nicht alle Architekten genießen den Ruf, orts- und regionaltypische Prägungen streng zu bewahren. Auch den Entscheidungsträgern anderer Städte würde es schon lange gut anstehen, der Verspiegelung ihrer Heimatstädte Einhalt zu gebieten. Nun hört man, die Nutzer sollten sich hinter Glas wohl fühlen. Tun sie das wirklich? Glas besitzt noch eine besonders tückische Eigenschaft: Es blendet.“ „In den Kreisen der Architekten und Stadtplaner mehren sich noch andere Kritikstimmen, die auf den schaurigen und einem Alptraum nahe kommenden Befürchtungen basieren, dass am Ende dieses architektonischen Irrweges der modernen Großstädte unter der Führung einfallsloser Gleichmacher, die Hansestadt Hamburg genauso aussehen wird wie hunderte andere Städte in der ganzen Welt, nicht voneinander unterscheidbar, ähnlich wie die Ameisenhaufen oder gleichartige Bäume im Wald. Die moderne Kunst des Kopierens meldet sich heutzutage am lautstärksten zu Wort und präsentiert sich in ihrer ganzen Arroganz als die wahre und ultimative Kunst, die von den Betrachtern und Nutzern nur bewundert werden soll.“

Kritik am Trend und Zeitgeist kam kürzlich auch von zwei Architekten-Verbänden, die sich ebenfalls besorgt zeigten und Alarm schlugen wegen der Inflation von Glas- und Stahlbauten, die sich zunehmend in die gewachsene Backsteinarchitektur der Hansestadt drängen und das Stadtbild zerstören. Und so warnte der Bund Deutscher Baumeister (BDB) in Hamburg vor dem Verfall und Zerfall des Stadtbildes, weil die Bauten sich kaum noch unterscheiden würden und der Wiederholungseffekt müde mache. BDB machte das allgegenwärtige Glas- und Stahl-Einerlei in Hamburg an der Einfallslosigkeit der Architekten fest. „Sie wickeln die Fassade praktisch wie eine Tapete um die Grundstücksgrenze, um eine möglichst große Baumasse zu schaffen, weil die vermietbare Immobilienfläche zählt. Manche Straßenzüge, wie die Ost-West-Straße, wirken wie eine Monopoly-Allee, weil jeder dort nur einen Klotz hinsetzt. Die Häuser haben kaum noch eine Beziehung zur Umwelt. Der architektonische Alptraum ist in Hamburg der Moderne stellenweise leider wahr geworden.“ „Werde so weitergebaut, drohe die Bindung der gesamten Baukultur an Hamburg zu kippen, wenn man alles in Glas und Stahl im Stil der, als Gegensatz zur traditionellen Backsteinarchitektur gedachten, Hightech-Architektur baut. Wichtig für Hamburg ist, die Stadtsilhouette unbeschadet zu erhalten. Diese Qualitäten dürfe man nicht beschädigen, weshalb man in der City keine sich hineindrängenden Hochhäuser zulassen dürfe. Denn das wesentliche Merkmal der Stadtsilhouette ergebe sich aus der Dominanz der Türme des Rathauses und der Kirchen in der Stadt.“ Damit die Identität der Stadt erhalten bleibt, fordert der Architekt Volkwin Marg sogar eine Art Architekturverfassung – verbindliche Grundsätze, an denen sich Architekten, die in Hamburg bauen wollen, zu orientieren haben. „Wenn man die Architekten machen lässt was sie wollen (jeder von ihnen ist doch ein Individualist und hält seine Vorstellung von Architektur für die beste) sieht es hinterher eben aus wie nach einem Kindergeburtstag.“ Schuld an den gegenwärtigen Bauzuständen sei jedoch auch auf die mangelhafte Besetzung und Qualität der Jurys bei Architektur-Wettbewerben zurückzuführen, konstatiert er. Fest steht: Um dieser Entwurfsmode der Hightech-Beliebigkeit ein Ende zu setzen sei ein Diskurs mit den Kunsthistorikern dieser Stadt und anderen historischen Städten unentbehrlich.“ „Wegen der ästhetisch-stilistischer Inkompetenz im Bau und architektonischer Orientierungslosigkeit suchten im Sommer dieses Jahres mit einer Podiumsdiskus-sion die Architekten zusammen mit dem Bund Deutscher Baumeister nach einem hanseatischen Stil und setzten somit die aktuelle Architekturdebatte fort. Von Vertretern der Architektenverbände wird nämlich immer wieder gefordert, die Beachtung der typischen, die Hansestadt prägenden, traditionellen Elemente. Es ging weiter um die Suche nach Kriterien für eine hanseatische, gleichzeitig aber weltläufige Bauweise. Und so plädierten manche konstruktiv dafür, sich der Tugenden zu besinnen, die in der Hamburger Schule der Schuhmacherzeit prägend waren – allerdings übersetzt in zeitgemäße Formen. Andere forderten, sich auf die Qualitäten der europäischen lebendigen Stadt zu besinnen, die nach dem Krieg durch eine Entmischung der Funktionen in Vergessenheit gerieten. Schließlich kritisierten einige ihre Kollegen vom Fach wegen der krankhaften Tendenz zur Selbstdarstellung: Es ist ein gemeiner Spott, dass Architekten nicht für normale Menschen bauen, sondern nur um andere Architekten zu beeindrucken. Abschließend griff ein Teilnehmer auf die Volkwin-Marg-Idee zurück und plädierte für eine gestalterische Charta, die quartiersweise Richtlinien festlegt, allerdings so, dass keine Einförmigkeit entstehen kann. Schließlich kann die Hansestadt nicht lediglich auf die 40-jährige Geschichte der modernen Urbanisierung (wie im Falle Dubais), sondern auf eine Hunderte von Jahren dauernde, in die historische Entwicklung Europas eingebettete Stadt- und Kulturgeschichte zurückblicken.“

2. Warnende Stimmen
Quantitatives Wachstum versus
nachhaltig-qualitative Entwicklung

„Die Erfahrung lehrt uns, dass allein die Absicht, eine Stadt wachsen zu lassen oder zu modernisieren, d.h. die Altbauten gegen die Neubauten auszutauschen, die alte Bausubstanz durch eine neue zu ersetzen, bzw. sogar eine ganz neue Stadt entstehen zu lassen, dass allein diese Absicht nicht ausreicht, diese Stadt lebenswert zu machen, geschweige denn, zur Touristenattraktion zu erklären, mehr noch, für die Zukunft gut zu rüsten. In der heutigen Zeit ist es nicht einfach geworden anspruchsvolle, zeitlos schöne und harmonische Architektur als echte Baukunst zu kreieren. Die unrühmliche Geschichte des Großstadtwachstums um jeden Preis in der Moderne gibt allen Wachstumsfanatikern, die die vielfältigen und gewichtigen Auswirkungen der horizontalen wie vertikalen, räumlichen Dimension einer Stadt auf die Umwelt übersehen haben, eine Warnung auf den Weg: Beim Erreichen einer kritischen Größe ist allen großstadtbedingten Problemen wie beispielsweise Lärm, Abgase, Staub, Smog, Versorgungswege und Mobilität, Verkehrs-Infarkt, Abfall- und Abwässerentsorgung, Missverhältnis der urbanen Beton-, Stahl-, und Asphaltmasse zur natürlichen Umwelt mit unweigerlich nach sich ziehenden, fehlenden, humanen Wohn- und Erholungsqualitäten nur sehr schwer erfolgreich und dauerhaft entgegenzuwirken – das tägliche Chaos einer Mega-Stadt ist kaum beherrschbar. Unwirtliche Metropolen mit ihren Stadtautobahnen und stinkenden Blechlawinen, mit ihrem  wild  wuchernden  Hochhaus-Dschungel; monströse  Stahlskelette  der   Bürotürme und im Eiltempo hingeklatschte protzige Wolkenkratzer der völlig künstlichen Städte, die großflächig wie ausgestorben wirken und nicht selten eine kulturelle Wüste darstellen sowie architektonisch gesehen, nichts als gesichtslose Glas-Beton-Landschaften  präsentieren, gibt es weltweit viele. Brasilia, Shenzhen, Saõ Paulo, Hongkong, Mexico City, Los Angeles, Tokio  wären ein gutes Beispiel dafür. Und es gibt ansonsten genug Geister- und Horror-Großstädte in Form zubetonierter Megalopolen auf der ganzen Welt, Stadt-Moloche, die mit all den Konsequenzen der Fehlplanung und wilden Wucherung (öde Architektur, Smog, Abwässer, Müllberge, Kriminalität, Landschafts- und Umweltzerstörung) als Negativbeispiele dienen könnten. In der früheren Geschichte haben diese architektonischen Gebilde kein Beispiel. Mega-Städte stufen wir immer als Fehlentwicklung ein, weil sie uns zu groß, zu hoch, zu dicht, zu hässlich erscheinen und eine inhumane Zukunft zum Fürchten versprechen. Architekturmonster wie New York oder Hongkong sollten daher keinesfalls als Muster-vorlagen dienen. Deutsche Städte sollen nicht eifrig versuchen, sie architektonisch nachzubilden und nachzuahmen! Dies wäre ein Irrweg: eine Falle aus Stahlbeton im Großstil! Hongkong, Shanghai und andere restlos zubetonierte und zuasphaltierte Mega-Städte der Welt stellen städtebaulich mit Sicherheit  kein Zukunftsmodell dar und sollten bei allen stadtplanerischen Überlegungen nicht im Blickpunkt stehen. Deutsche Städte sollten unter keinen Umständen versuchen es mit solchen Städten aufzunehmen, versuchen sie nachzubilden und  neue Höhen- und Größenrekorde zu brechen – sie werden letztendlich in vielerlei Hinsicht auf der Verliererseite stehen. Ein solcher Städtewettbewerb macht wahrlich keinen nachvollziehbaren Sinn! Die Frage, die sich aufdrängt, lautet doch: Schaffen die Hochhäuser eine lebenswerte Stadt und ist es überhaupt sinnvoll, hohe Gebäude zu errichten und sich der mancherorts zu sehenden Gigantomanie anzuschließen? Oder verwandeln sie durch ihre kalte, unpersönliche Architektur unsere Wohnorte und Arbeitsstätten in eine menschenfeindliche Stadt? Manche Unternehmenslenker, die sich vom Slogan Big is beautiful haben verführen lassen, meinen zwar immer noch, ihr repräsentativer Firmensitz muss wegen der Demonstration der Stärke, Prestige und Größe in einem Skyscraper Platz haben. Doch viele Firmen von Weltformat haben bereits dem architektonischen Weg der Banausen und Profanen ins Niemandsland eine Ablehnung erteilt und verzichten bewusst auf protzige kolossale Bauten. Es gibt heutzutage andere, und zwar  architektonisch viel anspruchsvollere meisterhafte  Methoden aufregende Prestigeobjekte zu errichten, die das gewachsene Selbstbewusstsein des Landes symbolisieren  und somit das eigene Selbstwertgefühl steigern, als die optisch erdrückend und als Fremdkörper in der Landschaft wirkenden Wolkenkratzer zu bauen – Meisterwerke, die nicht nur in sich verschiedene Elemente der Kultur und Tradition des Landes integrieren, sondern auch ideal an die landschaftliche Umgebung angepasst sind. Selbstverständlich gehören hierzu der spielerische Umgang mit Form und Struktur sowie der ökologisch orientierte Umgang mit Material und Umgebung zu konstitutiven Merkmalen solcher Architektur – diese sucht man vergeblich in den schlichten Pro-dukten geistiger architektonischer Armut.“  „Europas Städtebau – und damit die gesamte städtische Zivilisation der Alten Welt – durchlebt eine fundamentale Krise, wie sie seit der Großstadtwerdung im 19. Jahrhundert nicht aufgetreten ist. Das Thema Stadtumbau geht ganz Deutschland an und ist eine komplexe Aufgabe für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft in den nächsten Jahrzehnten. Dies ist die Situation, in der Planer, Architekten und Kommunalvertreter die Initiative zur Gründung eines Council for European Urbanism Deutschland (CEUD) ergriffen haben. Dieser will sich dem Wohl der gegenwärtigen und zukünftigen Generationen widmen, indem er lebenswerte Regionen, Städte und Dörfer sowie die Eigenart des ländlichen Raumes in Europa fördert und somit sich eine breite Basis in der Öffentlichkeit verschafft. Regionen, Städte und Dörfer werden durch soziale Ausgrenzung und Isolierung, Zersiedlung, Vergeudung von Boden und kulturellen Ressourcen, durch monofunktionale Entwicklung, fehlendem Wettbewerb und dem mangelnden Respekt für lokale und regionale Kulturen zerstört. Die neue Charta stellt sich mit ihrem Namen bewusst in die Tradition der Charta von Athen (1934), des Evangeliums modernen Städtebaus. Zugleich bedeutet sie eine Kehrtwende um 180 Grad. Denn nun soll mit der Trennung der Funktionen Wohnen, Arbeiten, Erholen, für die sich einst der Vater der Athener Charta, Le Corbusier, stark gemacht hatte, Schluss gemacht werden. Stattdessen setzt sich die neue Charta für gemischte Arbeits-, Wohn- und Freizeitstätten ein. Gebiete des industriellen Massenwohnungsbaus müssten abgerissen und umgebaut werden. Innenent-wicklung müsste vor Außenentwicklung gehen. Der peripheren Ausdehnung der Städte und Orte wird der Kampf angesagt. Neu und kontrovers gegenüber dem Städtebau der voraussetzungslosen Moderne ist das Beharren auf dem historischen Bild und den sozialen Traditionen der Städte und Dörfer. Die Innenstädte und Dorfkerne sollten im Sinne der Denkmalpflege bewahrt und behutsam erneuert werden. Die Unterzeichner der Charta vertreten die Prinzipien einer regionalen Kreislaufwirtschaft, um auf diese Weise die ruinöse Konkurrenz der Städte um Gewerbegebiete und Einwohner in den Griff zu bekommen. Die Erlöse, Ressourcen und Kosten sollten zwischen den Gemeinden und Kommunen innerhalb der Regionen in kooperativer Weise geteilt werden, so dass der zerstörerische Wettkampf um steuerliche Einnahmen vermieden und die sachgerechte Koordination von Verkehr, Erholung, öffentlichen Diensten, Wohnungsbau und kommunalen Einrichtungen geför-dert wird. Die Charta bekennt sich in der Flächennutzungsplanung zum traditionellen Bild der europäischen Stadt der kurzen Wege, der Nutzungsmischung und der hohen Baudichte. Nur so könnte der öffentliche Personennahverkehr wieder zu einer echten Alternative zum Auto werden. Einrichtungen der sozialen Infrastruktur – Schulen, Kindergärten, Ämter usw. – müssten so ange-siedelt und integriert werden, dass sie fußläufig oder mit dem Fahrrad erreichbar sind. Für die Architektur der Neubauten verlangen die Unterzeichner eine respektvolle Haltung gegenüber dem städtischen Kontext. Sie müsste dem örtlichen Klima, der örtlichen Topografie, der Baukultur und Ge-schichte Rechnung tragen, ökologische Bauformen, ressourceneffektive, möglichst an regenerativen Systemen orientierte und nachhaltig wirkende Technologien sollten eingesetzt werden – so die wichtigsten Zielsetzungen der neuen Charta für deutschen und zugleich europäischen Urbanismus.“

Jerzy Chojnowski
im Sommer 2004

Im Bild: architektonische Tradition (die Speicherstadt) versus architektonischer Amoklauf  und bauliches Overkill (die Hafen City) in Hamburg